Ich bin etwas über ein Jahr hauptberuflich selbstständig. Vorher war ich immer angestellt und hatte immerhin Urlaubstage, die ich nehmen muss. Als Selbstständige kann ich jederzeit Urlaub machen - in der Theorie zumindest. In der Praxis fällt mir die Umsetzung schwer: Existenzangst, FOMO, Verpflichtungen und Kurse stehen 64 Ferientagen meiner Kinder gegenüber und meinem Körper, der nach Regeneration schreit. Wie gehe ich mit Urlaub als Selbstständige richtig um?
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Ich liebe meine Arbeit. Ich liebe es, SEO-Kurse zu geben, ich mag es, Texte zu schreiben, meine Blogs mit guten Inhalten zu füllen. Doch will ich das 365 Tage im Jahr machen? Mein Körper braucht eine Pause, das ist normal und eigentlich wichtig.
Und wenn ich eigentlich schreibe, merkst du bereits, dass ich selbst noch nicht überzeugt bin. Wie soll ich Urlaub machen, wenn bald mein nächster Kurs-Launch von SEO für Starter stattfindet? Wenn ich doch 12 Wochen vorher die Werbetrommel rühren sollte, omnipräsent sein soll und Blogs, Instagram und Podcast bespielen müsste.
Das klappt so nicht. Denn noch betreue ich meine Teilnehmerinnen des ersten Durchganges. Danach startet schon wieder die kritische 12 Wochen Zeit vor dem Launch. Als Solo-Selbstständige ohne virtuelle Assistenz frage ich mich: Wie soll das gehen?
Und es ist doch so: Angst-Marketing ist allgegenwärtig. Damit meine ich nicht mal die Dubai-Typen mit rotem Sportwagen, die Programme für unverschämt hohe Preise verkaufen. Ich sehe es täglich auf Instagram - überall.
Da bekomme ich eine Mail: "Ich bin traurig, dass du nicht teilgenommen hast." Bitte, was? Emotionen ansprechen sollen Texter:innen auf jeden Fall, aber da denke ich eher an blumige Texte, statt an Druck. Und klar ist das, was ich sage, vielleicht auch Druck für einige: Buche jetzt, beim nächsten Mal wird mein SEO-Kurs teurer. Ist es Angst-Marketing? Es ist auf jeden Fall etwas, das FOMO auslösen kann.
Und FOMO gibt es natürlich auch im theoretischen Urlaub. FOMO verhindert Urlaub. Das ist gefährlich. Ich möchte eine Auszeit nehmen, nicht an Launches denken, an SEO-Traffic, an gebuchte Programme, die ich für viel Geld kaufte und detailliert aufsaugen muss.
Auch durch die Instagram-Welt wabert dieser Gedanke: Nutze jetzt die Urlaubszeit, um noch sichtbarer zu sein. Danke für nichts, danke für noch mehr FOMO. Ja, das ist noch mehr Druck. Nun könntest du argumentieren: "Zieh dir diesen Schuh nicht an!". Dann antworte ich: Ja, aber mein Einkommen!
Der Gedanke ist auch da: Was ist, wenn ich einige Wochen nicht sichtbar auf Instagram bin? Was ist, wenn nichts im Podcast und Blog passiert? Was, wenn ich einfach nicht da bin? Wie soll ich die Werbetrommel rühren, wenn ich mit drei Kindern am Strand sitze? Ach ja, Urlaub nehmen. Aber kann ich das wirklich?
Ich recherchierte natürlich zum Thema und es gibt natürlich keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub für Selbstständige. Logisch, Urlaub muss ich vorher finanziell selbst einplanen. Als Ansatz könne man ein 13. und 14. Monatsgehalt nehmen, das direkt in der Jahresplanung berücksichtigt wird.
Aha, aha. Ein netter Gedanke. Doch ich vermute, dass dieser Ansatz für viele Selbstständige in den ersten Jahren der vollen Selbstständigkeit nicht realistisch ist. Die Existenzangst durch Urlaub ist da. Die Krankenversicherung will weiter bezahlt werden, während die meisten Einnahmen stagnieren.
Im ersten Jahr gibt es für viele bestimmt auch kein ausgeklügeltes System mit passiven Einnahmen, nachgelagerten Einnahmen durch Ratenzahlungen großer Programme und andere nette Ideen. Die Einnahmen müssen sich erst noch entwickeln.
Tatsächlich ist es so: Bin ich einige Wochen nicht erreichbar, gehen Kooperationsanfragen für mein Elternmagazin eben an andere Personen. Ich muss erreichbar sein, wenn meine Kund:innen Fragen haben, weil sie sich nicht einloggen können oder mein System hakt.
Mein gebuchter Kurs läuft auch weiter - bis in den September. Klar, die Aufzeichnungen kann ich nachschauen, die Hausaufgaben später erledigen. Aber das verschiebt sich die Arbeitslast auf einen kürzeren Abschnitt. Die Arbeit ist da, auch wenn ich mir keine To-Dos in Lift OS* (Werbelink) eintrage.
Eine andere Überlegung wäre es, bestehende Projekte zu reduzieren. Nun verringerte ich schon mein 1:1 SEO-Training auf ein Minimum. Ich bin in der glücklichen Position, weiterhin Anfragen von potenziellen Kund:innen zu meinem nächsten SEO-Kurs SEO für Starter zu bekommen. Dafür möchten einige jedoch auch ein Kennenlerngespräch vereinbaren.
Das verstehe ich sehr, denn immerhin geht es hier um einige hundert Euro für ein Gruppenprogramm, das SEO lehren soll. Dahinter muss Expertise stecken und das Vertrauen der Teilnehmer in mich. Dieser Eindruck lässt sich durch ein Kennenlerngespräch gewinnen.
Doch was soll ich sonst streichen? Weniger Blogbeiträge schreiben - für meinen SEO-Blog oder mein Elternmagazin bitte.kaufen? Kürzlich entschied ich mich bereits dazu, meinen ehemaligen Mamablog in mein Elternmagazin komplett zu übernehmen. Inzwischen habe ich ein Projekt weniger, aber noch immer zu viel Arbeit für eine Person.
Klar, es klingt so schön: Eine virtuelle Assistenz einstellen, die Teile der Arbeit übernehmen oder zumindest eine Urlaubsvertretung für meine Selbstständigkeit engagieren. Doch auch hier ist es aus meiner Sicht nicht für jede:n realistisch.
Die Einnahmen kommen erst mit der Zeit. Von diesen werden erst kleine Gewinne gemacht, die nicht sofort in eine Assistenz fließen können. Vielleicht wäre das eine gute Idee, doch vorher müssen Prozesse geklärt, Ziele gesetzt und Assistent:innen eingearbeitet werden. Das kostet nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit. Das ist bei mir erst in der Zukunft geplant, weil ich die Hilfe natürlich zu schätzen weiß.
Und dabei denke ich immer an diese eine Chefin, die damals einzelne Wörter meiner Texte umschrieb, bevor ich diese veröffentlichen durfte. Es gibt nicht um Rechtschreibung, sondern um den eigenen Geschmack. So bitte nicht!
Mein Körper zeigt es mir: Er will Ruhe, kein ständiges Vergleichen auf Instagram mit Personen, die schon Jahre im Business sind. (Upsi!) Ich brauche wirklich Urlaub - ohne To-Do-Liste und täglichen Stories.
Dazu sagt der Stress-Experte Dr. Gerhard Zimmermann im Interview im Flügge-Blog:
„Ich empfehle mindestens einmal im Jahr zwei Wochen Urlaub am Stück, besser drei. Bis wirklich eine Erholung eintritt und die Stresshormone im Körper abgebaut werden, können bis zu 14 Tage und in Einzelfällen auch mehr als 14 Tage vergehen.
Dr. Gerhard Zimmermann - Flügge-Blog
Trotz der ganzen Bedenken werde ich einen festen Urlaub einplanen. Zugegeben, mit etwas Arbeitspausen dazwischen, weil ich vergaß, meinen Kalender zu blocken und Termine eintrudelten. Ich werde ein paar Wochen Instagram pausieren und nichts im SEO-Blog und Podcast SEO für Starter veröffentlichen.
Dafür habe ich vielleicht wieder mehr Lust, Ideen für mein Elternmagazin zu überlegen. Vielleicht schreibe ich auch wieder mehr Blogposts, die von Herzen kommen und nicht "dran sind", weil ich mehr SEO-Traffic brauche. Womöglich drehe ich lauter lustige Reels und vielleicht zocke ich einfach 6 Stunden am Tag Computerspiele und esse zu viel Pizza mit meinen Kindern. Könnte auch sein.
Den Urlaub plane ich nun trotz Selbstständigkeit fest in meinen Kalender ein. Jetzt steht es hier schwarz auf weiß, bzw. du hörst es in meinem Podcast. Es ist wie eine Challenge, es ist angekündigt, ich mache das. Wir lesen und hören uns dann im August wieder, okay?
Wer schreibt hier?
Sarah Depold